Andreu Rotger: „Ausländische Unternehmen haben es schwer, sich hier niederzulassen wegen der Bürokratie und dem entscheidenden Handikap, das der Inselstatus mit sich bringt“

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Interview mit Andreu Rotger, Präsident des Cercle d’Economia de Mallorca

Andreu Rotger ist der gegenwärtig bedeutendste Repräsentant einer der wichtigsten unabhängigen Körperschaften der Insel aufgrund ihrer Mitwirkung und ihres Engagements bei der Revitalisierung und Modernisierung ihres wirtschaftlichen Lebens, dem Cercle d’Economia de Mallorca. Rotger (Alaró, 1949) ist ein an der konstanten Erneuerung und Anpassung der Produktionsprozesse interessierter Tiefbauingenieur, sowohl in Privatunternehmen als auch in den übrigen gesellschaftlichen Bereichen. Nachdem er seine berufliche Laufbahn mit der Arbeit an großen Infrastrukturprojekten wie Staudämmen, Tunneln und Straßen, begonnen hatte, widmete der sein Berufsleben ganz dem Energiesektor, wo er sich auf organisatorische Entwicklung und Bewältigung des Wandels spezialisierte. Die Krönung seiner beruflichen Karriere erreichte er mit dem Amt des Generaldirektors von Gesa-Endesa, das er bis zum Jahr 2011 ausübte.

Wie bewerten Sie Ihr Jahr im Vorsitz des Cercle d’Economia?

Eine der interessantesten Angelegenheiten war die Arbeit in den Ausschüssen, insbesondere was die Arbeit im Vorfeld der Parlamentswahlen der Autonomen Region angeht. Es war eine sehr interessante, über alle Ausschüsse übergreifende Zusammenarbeit, mit dem Zweck zu sehen, wie wir als Bürger regiert werden wollen. Wir sind eine vom politischen und unternehmerischen Gesichtspunkt unabhängige Einrichtung, wir streben weder danach, eine politische Partei zu sein noch zu regieren, wohl aber danach ausdrücken zu können, auf welche Weise wir regiert werden möchten. Damals suchten die Führer aller politischen Parteien den Cercle d’Economia auf, wobei es hochinteressant war, ihnen unsere Arbeit bezüglich der zukünftigen Regierung darzustellen und dabei festzustellen, wie sich jede Partei bezüglich unseres Ansatzes positionierte. Wir waren nicht daran interessiert, dass jede politische Partei kommt, um eine Art Wahlversammlung oder Vortragsveranstaltung abzuhalten, sondern vielmehr, ihre Position hinsichtlich ihrer sozioökonomischen Maßnahmen auf globale Weise kennenzulernen.

Erläutern Sie bitte jemandem, der die Aufgaben des Cercle nicht kennt, welche seine wichtigsten Aufgaben zugunsten der Wirtschaft der Balearen sind

Wir sind kein ausschließlich aus Wirtschaftswissenschaftlern bestehendes Forum, denn es umfasst ein ganzes Spektrum von Fachleuten, die hoch motiviert sind, zu analysieren, zu diskutieren, verschiedene Denkweisen auf plurale Weise vom Gesichtspunkt der Bürgerinteressen aus, die vielfältig sind, gegenüberzustellen.

Der Cercle muss als unabhängige Einrichtung – er nimmt keine Subventionen von Verwaltungen oder wem auch immer an – keine Partei- oder Unternehmerinteressen vertreten. Aus dieser Unabhängigkeit heraus können sich unsere Zielsetzungen in der Weise entwickeln, wie es auch die Gesellschaft tut. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, und leider schon seit geraumer Zeit, ist eines der uns beschäftigenden und uns Sorge bereitenden Themen die Finanzierung unserer Autonomen Region, die sich in Konkurs befindet. Eine Autonome Region, die Schulden in der Höhe von 9.000 Millionen Euro hat, wobei der Jahreshaushalt zirka 4.000 Millionen beträgt – das heißt, die Schulden betragen das Zweifache des Haushalts – seit Jahren ohne die Kapazität, einen Überschuss zu erwirtschaften, werden wir von den Zinsen der Schulden verschlungen. Deshalb sind wir wirklich in einer schwierigen Lage, angesichts derer wir uns für ein gerechteres und ausgewogeneres Finanzierungssystems einsetzen, und das ist es, woran wir seit langer Zeit schon gearbeitet haben und wir tun es weiterhin, um ein Manifest der Zivilgesellschaft zu veröffentlichen, von dem wir hoffen, dass sich ihm eine Mehrheit dieser Zivilgesellschaft anschließt in dem Begehren nach einem gerechteren und ausgewogeneren Steuersystem. Es kann nicht sein, dass eine Autonome Region, die fast 6 % ihres Bruttosozialproduktes für andere Autonome Regionen beisteuert, hinterher über die niedrigsten Ressourcen ganz Spaniens verfügt, um dieselben Bedürfnisse wie die anderen Autonomen Regionen zu decken, das hat keinen Sinn. Irgendetwas läuft falsch und der Cercle wird weiterhin eine Änderung des Finanzierungssystems fordern, nicht nur, was die Einkünfte angeht, sondern auch was die Kostenseite angeht. Wenn eine Familie oder eine Firma sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, sucht sie neue Einkünfte, versucht aber auch, ihre Kosten zu rationalisieren. Wir machen uns nicht für Kürzungen stark, wohl aber für die Effizienz, es geht nicht an, auch nur einen einzigen Euro für etwas auszugeben, das nicht vorrangig und notwendig ist. In diesem Sinne zeigt zum Beispiel die Weltgesundheitsorganisation auf, dass in Spanien, und gehen wir einmal davon aus, dass die Balearen da nicht anders sind, zwischen 20 % und 40 % des Aufwands ineffizient sind. Wenn dies so ist, und es ist nicht anzunehmen, dass die Balearen diesbezüglich eine Ausnahme darstellen, müssen wir daran arbeiten, die Kosten auf eine effiziente Weise zu reduzieren, nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in den anderen Bereichen wie Erziehung, soziale Dienste und alle öffentliche Unternehmen, damit die aus dem Geldbeutel des Bürgers erhobenen Mittel nicht nur auf eine korrekte und vollkommen korruptionsfreie Weise investiert werden, sondern auch mit guter Priorisierung.

Welche Ziele hat sich der CdE und sein Präsident für die nächsten Jahre gesetzt?

In dieser Zeit benötigen wir mehr denn je ein Parteiensystem, das auf den Konsens setzt, darauf, die Interessen der Bürger als die eigenen anzusehen, und nicht auf Parteiinteressen. Wir sind besorgt über die Korruption und die Reform des Wahlgesetzes. Aber in demselben Maße sind wir besorgt über das Erziehungswesen, die Wirtschaftslage für die Arbeitnehmer mit mehr als 50 % arbeitslosen Jugendlichen und sehr prekären Arbeitsbedingungen. Beispielsweise haben 25 % der Verträge eine Laufzeit von einer Woche oder weniger. Eine verantwortliche und demokratische Gesellschaft muss sich mit allen diesen Dingen sehr ernsthaft auseinandersetzen. Der Cercle ist für den Konsens in Grundfragen – Gesundheitswesen, Erziehungswesen, Arbeit oder Wirtschaft – es will niemandem in den Kopf, dass das Erste, was eine neue Regierung tut, die Gesetze der Vorgängerregierung zu widerrufen ist, und ich sage dies nicht wegen der Situation, die wir in den letzten Monaten erlebt haben. Wenn wir uns die Schaffung einer Fremdenverkehrssteuer in dem Gedanken vornehmen, dass eine zukünftige Regierung sie zurücknehmen kann, erweisen wir der Wirtschaft und dem System dieses Landes einen Bärendienst. Die Bürger müssen von allen Parteien mehr Verantwortlichkeit in dieser Hinsicht fordern, von allen Parteien.

Von einer persönlicheren Seite her, berichten Sie uns bitte über Ihre Erfahrungen im Management als Tiefbauingenieur und welcher nach Ihrer Ansicht die Hauptbedürfnisse der Unternehmensstruktur Mallorcas sind

Ich habe das große Glück gehabt, verschiedene Projekte geleitet zu haben, wobei ich im Durchschnitt nicht mehr als 4 oder 5 Jahre bei demselben Projekt blieb. Dies hat mir, zusammen mit der Entwicklung der Privatunternehmen erlaubt, bei der Fusion verschiedener Unternehmen mitzuarbeiten. Eines der Dinge, die mich am meisten beeindruckt haben und über die ich viel lernen musste, ist die Bewältigung des Wandels, das heißt, ein sehr aktueller Aspekt, den man berücksichtigen muss. In diesem Sinn glaube ich, und diese Tatsache passt perfekt zu dem, was wir zuvor über den Konsens der politischen Parteien gesagt haben, ein in jeglicher Hinsicht guter Angestellter muss heute eine gewisse Bereitschaft zur Bewältigung des Wandels und eine herausragende Anpassungsfähigkeit mitbringen.

Ein zweiter Aspekt, der meiner Meinung nach im heutigen unternehmerischen Umfeld wesentlich ist, bezieht sich auf die Effizienz, die stetige Verbesserung. Ich habe viel im Benchmarking gearbeitet, das nichts anderes ist als der Prozess, mittels dessen analysiert wird, wie die Dinge erledigt werden, nicht nur bei dir zuhause sondern auch bei den anderen, um dich mit der Konkurrenz oder Dritten zu vergleichen und als Bezugspunkt diejenigen zu nehmen, die bessere Resultate haben als man selbst und dabei diejenigen zu analysieren, die die besten Praktiken entwickeln, um zu versuchen, diese auf den entsprechenden eigenen Bereich anzuwenden. Permanent auf dem Laufenden darüber zu sein, wie sich die anderen verbessern und zu versuchen, die Kenntnisse anzuwenden und zu verbessern, die man aus dem ableitet, was die anderen anwenden, diese Haltung der Bescheidenheit und konstanten Analyse ist sehr interessant. How would you describe your relationship with Bufete Buades? How far does it date back?

Wie ist Ihre Beziehung zu der Anwaltskanzlei Bufete Buades und worauf geht sie zurück?

It is clearly because Joan Buades was the chairman of the Cercle d’Economia and therefore my predecessor, although not directly, and if it were only for this reason we would already have many things in common. In addition, the relationship with Bufete Buades, and specifically with Joan even at this time when he does not have a direct link to the Cercle, is good and we have sometimes asked for his cooperation and he has responded enthusiastically. For example, as a case in point, Joan Buades recently participated as the moderator in a panel discussion which we organised and which was attended by foreign business people resident in Mallorca, with an extremely interesting final result for the audience.

Wie könnte nach Ihrer Auffassung die nahe Zukunft für die Inselwirtschaft aussehen?

Es wird gerade mit der Arbeit begonnen und es gibt ständig mehr Stimmen, die sich interessiert an den positiven, von der Landwirtschaft, dem Gesundheitstourismus, der Innovation in Verbindung mit wissenschaftlichen und technologischen Unternehmern in Feldern wie der Medizin und der Biologie ausgesandten Signalen zeigen. Wir können auf einer Insel wie der unsrigen nicht danach streben, eine große Industriestruktur zu entwickeln, denn dies ist wegen der Ausdehnung relativ inkompatibel, jedoch können wir wohl optimistisch sein bei den Informations- und Kommunikationstechnologien, die Potenzierung der Dienstleistungen für Senioren ist ein äußerst wichtiges Feld, sowohl aus Notwendigkeit als auch als Vorreiter und Motor für die Wirtschaft.

Ist vom CdE ein wachsendes Interesse seitens des ausländischen Kapitals festgestellt worden, seine Anlagen und Geschäfte in Mallorca zu stationieren?

Wir leben vom makroökonomischen Gesichtspunkt aus in der besten aller Welten in dem Sinn, dass wir aus einer bedeutenden Krise kommend uns hauptsächlich vom Fremdenverkehrssektor ernähren und unsere Konkurrenten aus einer Vielzahl von Gründen sozusagen in einer Position der Unterlegenheit sind. Das bringt uns in eine irreale, jedoch auch verdient errungene Situation, das viel gearbeitet worden ist und einem nichts geschenkt wird. Jedoch ist es trotzdem so, dass uns die Umstände gewogen sind, und deshalb wäre es ein schwerer Fehler, sich mit dem zu begnügen, was wir haben.

Wir befinden uns an einem Scheideweg, würde ich sagen, denn dies ist genau der richtige Zeitpunkt für uns, hinsichtlich einiger Aspekte den Kurs zu ändern: Unser Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt ist dabei, auf systematische Weise zu sinken, es bewegt sich von einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen Spaniens hin zu Positionen näher dem staatlichen Durchschnitt; die Produktivität ist dabei zu sinken, wir haben mehr die Rentabilität im Auge gehabt, mit einem makroökonomischen Ansatz, der die Rentabilität vor die Produktivität gestellt hat. Ich glaube, hier muss eine Wende geschehen, um uns auf die Produktivität zu konzentrieren, mit einem größeren Nachdruck auf Forschung + Entwicklung, auf dem Erziehungswesen, was derzeit gerade nicht geschieht. Für F + E geben wir 0,36 % aus, als eine der Regionen Europas, die am wenigsten in Innovation investiert (die es am meisten tut: eine belgische Region mit 7,8 %); in der Produktivität stehen wir nicht gerade gut da und im Erziehungswesen haben wir viele Probleme. Ein Erziehungsminister einer Regionalregierung vom Partido Popular sagte jüngst, dass wir uns in einem nationalen Bildungsnotstand befänden, und wir sind der Auffassung, dass wir diesbezüglich viel Arbeit leisten müssen auf eine intensive und schnellen Weise, um den Zug nicht zu verpassen.

Unser sozioökonomisches Modell hat sich entwickelt. Man muss wissen, woher man kommt und nicht die großen Potenziale vernachlässigen, welche die Autonome Region der Balearen hat, es ist jedoch offensichtlich, dass wir diversifizieren müssen. Allerdings mit Intelligenz und Ausbildung, dafür ist das Erziehungswesen als Triebkraft aller dieser Aspekte eine Hauptstütze.

Welche Sektoren erleben, außer dem Fremdenverkehr, derzeit das größte Wachstum und die höchste Anerkennung innerhalb und außerhalb unseres Archipels?

Ich glaube wir verfügen über eine Reihe von Vorteilen, aber auch Schwachstellen. Wir müssen sie kennen, um die Ersten zu verstärken und nicht zu verlieren und die Schwachstellen korrigieren.

Zu den Vorteilen der Balearen für die europäischen Unternehmer, so haben sie es uns im Cercle zu verstehen gegeben, sind die Sicherheit und die Lebensqualität, die man in diesem Land genießt und die an keinem anderen Ort existiert, zu zählen. Außerdem ist es, wie Utz Claasen jüngst gesagt hat, die europäischste Region Europas, denn hier leben bereits Bürger des gesamten Kontinents auf natürliche Weise zusammen. Allerdings haben wir beträchtliche unerledigte Aufgaben wie zum Beispiel die Bürokratie, wie es uns die ausländischen Unternehmer mitgeteilt haben, mit denen wir gesprochen haben. Aber nicht nur sie, in einem kürzlich erschienenen Bericht werden wir als die viertschlechteste Autonome Region für Geschäfte eingestuft, wobei vier Indikatoren berücksichtigt wurden: Die Anzahl der Formalitäten und die erforderliche Zeit, um ein Unternehmen zu gründen, dasselbe für die Namensänderung oder den Verkauf eines Unternehmens, auch die Ausführung eines Baus (Häuser, Hotels, Fabriken, usw.) und die zum Anschluss an das Stromnetz erforderliche Zeit. Ausgenommen diesen letzten Punkt, liegen die Balearen in den ersten drei Indikatoren bei den letzten drei Autonomen Regionen und in der Gesamtrechnung in der viertschlechtesten Position.

Den Unternehmern allgemeine, und insbesondere den ausländischen, fällt es sehr schwer, sich niederzulassen. Dazu kommt ein entscheidendes Handikap das der Inselstatus ist: Es ist notwendig, sich mit einem regionalen Finanzierungssystem und einer Sonderregelung für die Inseln auszustatten. Letzteres muss darauf ausgerichtet sein, zu vermeiden, dass die Bürger und Unternehmen von dem Inselstatus benachteiligt werden, wegen dessen der Wettbewerb fast schon unlauter zu nennen ist.

Bei Import und Export sind die Mehrkosten beträchtlich, sie betreffen die Einscheidung eines Unternehmens direkt, wenn es darum geht, sich in dieser Autonomen Region anzusiedeln oder nicht, sowohl zum Absatz von Produkten außerhalb als auch, wenn es Rohstoffe importieren muss. Im Fall des Fremdenverkehrs sind das Einzige, was importiert wird, die Kunden, aber der Rohstoff – Sonne und Natur – ist bereits hier, was in der Mehrzahl der Sektoren natürlich nicht der Fall ist.